Zeitsprung
Erzählung
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
2. Auflage 2016, st 3424
126 Seiten
Wenn ich von ihm träume,
geht er groß neben mir
und sagt:
Gib mir dein Leben.
Ich reiche es ihm und
er steckt es in die
Hosentasche. So achtlos
als wäre es nichts.
Da fange ich an zu weinen:
Bekomme ich es zurück?
Ärgerlich schiebt er seinen
Strohhut ins Genick, sagt:
Vielleicht.
Und ich bin allein.

Zeitsprung

Inhalt

Wendezeit. Die westdeutsche Chirurgin Dorothea Mayfeld fliegt zu einem Kongreß nach Prag, trifft ihren amerikanischen Kollegen und Geliebten Goldstein und lernt dessen ostdeutschen Freund Hermann Nehmer kennen, ohne den Goldstein, so erzählt er Dorothea, nicht am Leben wäre.
Eine schicksalhafte Beziehung aus NS-Zeit und Krieg, in die auch die Frau sich unversehens hineingezogen fühlt.
Aber auch bei Dorothea durchdringen sich bei der Begegnung mit Nehmer Gegenwart und Vergangenheit, meint sie doch, in einer Déjà-vu-Situation einen Zeitsprung zu erleben und einen längst vergessen Geglaubten zu sehen: Grewe, den geheimnisvollen Geliebten der Mutter, das Skandalon der kleinen Stadt am Ende des Zweiten Weltkriegs.
Eine Geschichte der Verarbeitung. Verarbeitung von Geschichte und Geschichten. Und eine (Liebes-) Geschichte zwischen zwei Menschen, die sich am Ende verlieren.

Wo ist sie? Goldstein stand am Fenster. Drehte sich nicht um.
Im Hotel, antwortete er. Sie fliegt heute Abend.
Und du? fragte Goldstein.
Ich nehme den Nachtzug.
Wohin?
Nach Berlin.
Ist es zu Ende? fragte Goldstein und wußte nicht, ob er ihre Freundschaft meinte oder das, was heute Nachmittag gewesen war, während er ziellos durch die Stadt irrte.
Ich weiß es nicht, sagte Nehmer. Und du?
Es gibt kein Zurück, sagte Goldstein.

Pressestimmen

Eine Dreiecksgeschichte? Ja und nein (…) Aus der zögernden Enthüllung eines Geheimnisses bezieht das Buch seine Spannung. (…) Da werden dunkle Kammern aufgestossen, wird die Prager Luft von Träumen und Alpträumen erfüllt (…) Die Erzählung hat ihre Besonderheit darin, dass die Gestalten nicht wirklich verstehen, was ihnen geschieht. (…) Eine flammende Liebe, vor Jahrzehnten gewaltsam ausgelöscht, scheint bis heute Funken zu sprühen.
Irmtraud Gutschke / Neues Deutschland / 27.12.2002

Diesen Figuren sollte keiner zu nahe treten. (…) Sie haben ihre Frustrationen verkleidet und Rätsel für ihre Verehrer daraus gemacht.
Jamal Tuschick / Frankfurter Rundschau / 22.02.2003

Poetisch, behutsam, mitreißend.
Emma / Juli/August 2003

Lakonisch und ohne Schnörkel erzählt Reetz, wie Dorothea zwischen den beiden Männern in Prag ihrer verdrängten Kindheit wiederbegegnet und die Jahre des damals nur erahnten, aber undurchschauten Skandalons verarbeitet. (…) Die Zeiten verschränken sich kunstvoll und die Figuren gewinnen aus der Distanz der dritten Person Leben und Plastizität.

Claudia Schülke / Frankfurter Allgemeine Zeitung / 19.02.2003

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